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Tuberkulose (Schwindsucht)
Die Tuberkulose, die als Schwindsucht in Literatur und Oper immer wieder die Besten dahinrafft, ist neben Tollwut, Milzbrand und Scheintod eine der wahrscheinlichen »natürlichen« Ursachen für die Entstehung des Vampirmythos.
Erreger ist überwiegend das Myobacterium tuberculosis, in Ländern mit Rindertuberkulose auch das Myobacterium bovis. Die Ansteckung erfolgt am häufigsten durch Tröpfcheninfektion. Noch immer ist die Krankheit in Entwicklungsländern eine gefürchtete Seuche, an der Millionen Menschen sterben, und durch die zunehmende Antibiotika-Restistenz und immer schlechter werdende Impfhygiene wird sie auch in entwickelten Ländern wieder bedrohlicher, insbesondere in Osteuropa. Die WHO wies im März 2004 darauf hin, dass dort die Antibiotika-Resistenz bedrohliche Ausmaße angenommen habe. Aber auch uns ist die Entwicklung bedenklich: 2002 waren in Deutschland 12,1 % aller Erreger gegen mindestens eines der 5 Standardantibioika resistent. Von den 20 Staaten mit der höchsten Quote des resistenten Erregertyps liegen 14 in Europa. Europa steht in puncto Tuberkulosefälle inzwischen auf einer Stufe mit Afrika. Mitte 2006 hatte die Tuberkulose in Westeuropa den höchsten Stand seit 1945 erreicht. In Europa geht die WHO für das Jahr 2005 von einer Gesamtzahl an Tuberkuloseerkrankungen von 445.000 aus.
Weltweit tragen rund zwei Milliarden Menschen (eine von drei Personen) das Bakterium in sich, jede Sekunde kommt ein weiterer Fall hinzu. Jährlich erkranken rund zehn Millionen Menschen neu an Tuberkulose. Nach unterschiedlichen Angaben sterben jährlich 1,6 bis 3 Millionen Menschen an Tuberkulose, die meisten wohl wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten. 2006 wurden für Deutschland 5372 Tuberkulosekranke gemeldet.
Die Tuberkulose-Sterblichkeit liegt weltweit bei etwa 40 Toten pro 100.000 EinwohnerInnen; in Europa ist sie in den baltischen Staaten am höchsten mit etwa 20 Toten pro 100.000 EinwohnerInnen (Stand 2007).
Wie sehr die Tuberkulose beigetragen haben mag zum Erhalt des Vampirglaubens, beweist ein Fund, den man 1993 in Connecticut, USA, gemacht hat: das Skelett eines Vampirs – die Überreste eines großen Mannes, enthauptet, die Beinknochen gekreuzt und der Schädel auf diese drapiert. Zusätzlich wurde bei dieser Vampirhinrichtung à la USA der Brustkorb zertrümmert, wohl um das Herz zu entfernen, zu verbrennen und die Asche, mit Flüssigkeit gemischt, als Schutztrunk zu verwenden. Da die Initialen des Toten »J.B.« lauteten und er auf dem Familienfriedhof der Familie Walton lag, tauften ihn die Forscher nach der Fernsehserie »John Boy«. Er war wahrscheinlich das erste Opfer einer Tuberkulose-Epidemie, die im 19. Jahrhundert die Familie heimsuchte. Als später die übrigen Familienmitglieder dahinsiechten, kam ein erster Verdacht auf, als sie ihn ausgruben, fanden sie einen aufgedunsenen, also »gut genährten« Leichnam – der Schluß lag nahe, John Boy sei ein Wiedergänger, ein Vampir. Ironischerweise trug das Vampir-Ritual zur Verbreitung der Krankheit bei – bei der Zertrümmerung der Knochen wurde der Bazillus verbreitet, ebenso bei der Zubereitung und Aufnahme des »Schutztrunkes«. Und auch heute könnte der »Fluch des Vampirs« zuschlagen – denn Tuberkelbazillen sind im Grab mindestens Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte überlebensfähig!
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