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Wie im Bauwesen, so ist auch die Kunst in den beiden vorherrschenden Stilrichtungen der Romanik und der Gotik ausgedrückt. Während in der romanischen Baukunst durch die Verwendung römischer Architekturglieder oder die Wiederaufnahme römischer Architekturprobleme, wie der Wölbung ein tatsächlicher Zusammenhang mit Rom vorhanden ist, so ist in Bildnerei und Malerei davon nichts zu spüren. Diese haben mit der Antike nichts zu tun.
In der Gotik dagegen tritt die Bildnerei in einem Maße, wie es bisher in Europa noch nicht der Fall gewesen war, in Zusammenhang mit der Architektur. Dabei ist das 13. Jahrhundert der Hauptzeitpunkt dieses Zusammenwirkens.
Die Romanik
Die Bildhauerkunst bemüht sich zum ersten Mal seit dem Ausgang der Antike wieder, aus der flachen Reliefschicht körperliches herauszurunden und in einzelnen Fällen schafft sie sogar Freifiguren. Es entsteht vor allem in Verbindung mit dem Bauwerk eine Großplastik. Das romanische Bildwerk ist naturfern, von archaischer Strenge, wenig differenziert in Gewandtbildung und Gesichtausdruck. Doch gibt es gerade in der Romanik in Burgund und Südfrankreich Werke einer außerordentlichen mimischen Beweglichkeit. Die Naturferne begünstigt formelhafte Bildungen, die an den Köpfen, Gliedmaßen und in der Gebärdensprache immer wieder zu sehen sind.
Die Malerei als Wand-, Glas-, Miniatur- und Emailmalerei wird von ähnlichen Gestaltungsgesetzen beherrscht, während das auf Holz gemalte Tafelbild noch große Ausnahme ist. Es gibt keinen Hintergrund, sondern nur einen Grund, also keinerlei Raum- oder Körperillusionismus. Auf die Wiedergabe naturalistischer Formenzusammenhänge ist verzichtet und die Größenverhältnisse der Menschen und Dinge richten sich nach ihrer Bedeutung, nicht nach der Wirklichkeit. Die romanische Malerei will nicht raum-körperliche Erscheinung wiedergeben, sondern einen christlichen Vorstellungsinhalt schlagkräftig veranschaulichen, wozu auch die mit allen Mitteln erstrebte farbig-dekorative Wirkung des Bildes gehört.
Die Buchmalerei hat einen ihrer Höhepunkte im 11./12. Jahrhundert: ganzseitige Miniaturen in Evangeliaren, Heiligenviten, Bibelhandschriften und Psalteryen. Von der sehr bedeutenden Glasmalerei sind nur wenige Beispiele erhalten.
Das Kunstgewerbe zeigt sich in größter Mannigfaltigkeit, von der Plastik einerseits und der Malerei andererseits oft kaum zu trennen, da es neben der künstlerischen Formung von Gegenständen auch vielfach darstellerische Aufgaben verfolgt. Gerade im kleinen Format ist vieles vorgebildet, was Plastik und Malerei dann im großen Maßstab aufgenommen haben, da in der mittelalterlichen Kunst kaum eine ästhetische Grenze zwischen klein und groß bestand. Die schöpferische Kraft der Romanik auf kunstgewerblichem Gebiet war so bedeutend, dass die Gotik oft nichts anderes zu tun hatte, als das bereits Vorhandene nach ihrem Geschmack abzuwandeln.
Die Gotik
Die Ausbildung der Säulenportale war die Voraussetzung für die Entstehung der aus dem Zusammenhang der Mauer herausgelösten, um eine eigene Körperachse gerundeten gotischen Gewändefigur. In der französischen Hoch-Gotik bildete sich ein klass. Schönheitskanon heraus, der sich durch Beseeltheit, freie Beweglichkeit und differenzierte, faltenreiche Gewandbehandlung ausdrückte. Diese Entwicklungsstufe fand einen deutschen Widerhall vor allem in den Naumburger Stifterfiguren (um 1250).
Das die gotische Baukunst beherrschende Prinzip der Entschwerung der Masse begann im späteren 13. Jh. sich auch in der Bildnerei auszuwirken und den größten Teil des 14. Jahrhunderts in Geltung zu bleiben. Im Zusammenhang damit ergibt sich, dass die Figuren nicht mehr fest auf dem Boden zu stehen, sondern im gotischen Schwung von einer übergeordneten Macht ergriffen zu sein scheinen. Das alles bedeutet: im weiteren Verlaufe der Gotik verschwinden Naturalismus und irdische Vergegenwärtigung, um einer neuen Vergeistigung Platz zu machen.
Mit der Gotik setzte mit dem Wunsch, die Wände aufzulösen, die eigentliche Blütezeit der Glasmalerei ein, vor allem in Frankreich, dessen Glasmalerei auf England einwirkt, Spanien, Italien und Deutschland, das dann im 14. Jh. führend wird. In diesen Kathedralen und Münstern erreichte die mittelalterliche Bildkunst ihren Gipfel, denn sie haben alles Irdische, Raum und Leib, völlig überwunden. Ihre Gestalten sind ganz entmaterialisiert, scheinen in einem geistigen Reiche zu leben. Das Licht, das sie durchstrahlt, verwandelt und heiligt den ganzen farbig durchglühten Kirchenraum. Seit dem 14. Jh. kam die Glasmalerei unter dem Einfluss der die Wirklichkeit nachahmenden Tafelmalerei und verlor den Charakter des Übersinnlichen.
Von Paris ausgehend entwickelte sich seit Mitte des 13. Jh. eine bedeutende höfische Buchmalerei, die im 14. Jh. in Burgund und den Niederlanden einen Höhepunkt erlebte.
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