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Mit der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität konnte sich ein wachsender Teil der Bevölkerung anderen Tätigkeiten als der Nahrungsproduktion widmen. Dies führte zur Arbeitsteilung und Spezialisierung, die Handwerk und Handel entstehen ließen. Der Markt als Ort des Warentausches und die Geldwirtschaft entfalteten sich als notwendige Konsequenzen. Die Zentren dieser neuen, neben die Agrarproduktion tretenden Wirtschaftweise entwickelten sich zu Städten. In ihnen spielten Handwerker und Kaufleute eine entscheidende Rolle, aber auch Bauern (Ackerbürger) lebten dort.
Um 800 bestanden in Deutschland nur wenige alte Römerstädte fort (z.B. Köln, Regensburg), denn den Franken, die überwiegend vom Ackerbau lebten, war die städtische Lebensweise fremd. Eine Wurzel, aus der neue Städte entstanden, war der Fernhandel mit Luxusgütern, der sich seit karolingischer Zeit entwickelte. Wo die Kaufleute entlang zogen und wo sie ihre Waren verkaufen wollten, brauchten sie befestigte Plätze, an denen sie diese lagern konnten. Hier entstand oft eine Siedlung, wo die Kaufleute zuerst gelegentlich, dann regelmäßig Märkte abhielten, die ihrerseits Handwerker aus der Nähe anzogen. Der Marktplatz wurde zum Zentrum einer neuen Stadt.
Der Grundherr des Gebiets, auf dem die Stadt entstand (oft ein Bischof, Herzog, Graf oder bei Reichsstädten der König) wurde zum Stadtherrn. Als solcher stieg seine Macht, denn er konnte in Marktgebühren und Zöllen neue Einnahmequellen erschließen und mit der Stadt sein Territorium befestigen. Viele Adlige begannen daher, planmäßig Städte anzulegen. Im 13. und 14. Jh. stieg die Zahl der Städte in Deutschland auf nahezu 3000 an. Allerdings hatten die meisten weniger als 1000 und nur zwölf mehr als 10 000 Einwohner. (Köln als größte Stadt hatte 30 000 Einwohner).
Das Machtgefüge innerhalb der Städte
Groß- und Fernhandelskaufleute gehörten meist zur reichsten und angesehensten sozialen Gruppe, dem Patriziat. Sie stellten, zusammen mit den ehemaligen Bediensteten des Stadtherrn, Bürgermeister und Ratsherren. Zur weiteren Oberschicht (insgesamt ca. 10% der Stadtbewohner) zählten auch vermögende Grundbesitzer und reiche Handwerker. Die Mittelschicht bestand aus der Masse der Handwerker, Händler und Krämer, zuweilen auch aus den Ackerbürgern. Oft mehr als die Hälfte der Stadtbewohner stellten die Unterschichten (z.B. Gesellen, Tagelöhner, Mägde) und die Randgruppen (z.B. Bettler). Sie waren meist ohne Vermögen, konnten deshalb kein Bürgerrecht erwerben und besaßen keinerlei politische Mitspracherechte: Sie waren nur Einwohner, keine Bürger.
Jede Stadt besaß einen Stadtherrn, dessen Beauftragte (Ministeriale) zunächst Verwaltung und Rechtsprechung ausübten. Insbesondere in Städten mit Fernkaufleuten erlangten diese gegen Geldzahlungen oder nach militärischen Auseinandersetzungen im Laufe der Zeit das Recht auf Selbstverwaltung. An der Spitze standen die Bürgermeister und die Räte, die für Verwaltung und Rechtsprechung zuständig waren. Da meist nur wenige Familien der Oberschicht die Ratsmitglieder stellten, war die Mehrzahl der Bürger von der politischen Mitwirkung ausgeschlossen. Erst im 13./14. Jh. erlangten vor allem Handwerker und Händler den Zugang zum Rat. Die übrigen Einwohner einschließlich aller Frauen blieben von der politischen Mitwirkung ausgeschlossen.
Um ihre Städte für Kaufleute und Handwerker attraktiv zu machen, förderten die Stadtherren sie durch besondere Privilegien (Vorrechte) und erlaubten den Bürgern, viele Entscheidungen selbst zu treffen. Dadurch erstarkten zuerst die Kaufleute in der Stadt, die zu einer Art von Adelsschicht wurden (Patrizier). In einer Reihe von Städten gelang es ihnen bis zum Ende des 13. Jh., den Stadtherrn zu entmachten und selbst durch einen Rat und einen Bürgermeister die Macht zu übernehmen. Vielerorts erhoben sich aber im 14. Jh. die in Zünften zusammengeschlossenen Handwerker gegen ihre Herrschaft und forderten ebenfalls Einfluss auf die Regierung der Stadt, den sie z.T. auch erhielten. Sehr weit ging die Entwicklung in Köln, wo 1396 eine Verfassung entstand, die allen Bürgern ein Mitbestimmungsrecht in der Stadt zubilligte.
Seit dem12. Jh. gelang es den ehemaligen Vertretern der Bürgerschaft, die jetzt Ratsherren genannt wurden, die Macht an sich zu nehmen. Sie übernahmen die Rechte des Stadtherrn, konnten also die Rechte der Stadt bestimmen. Marktgebühren, Steuern, Strafgewalt, Verleihung des Bürgerrechts und Gewerbeaufsicht fiel jetzt unter ihre Befugnis. Städte, denen die Lossagung vom Stadtherrn gelang, nannten sich "freie Städte" oder "freie Reichsstädte", wenn sie auf dem königlichen Gebiet entstanden waren. Der wichtigste Posten in der Stadt blieb meist einem Patrizier vorbehalten, der die selbstbewusste Stadt im Bürgersinne leitete und der Verwaltung vorstand. Wenn heute von Demokratie gesprochen wird, so entstand ein Teil dieser Bewegung in den Verfassungen der freien Städte, die sich häufig über viele Jahrhunderte gehalten haben. Auch die heutigen Gemeindeordnungen der Bundesrepublik Deutschland weisen zum Teil erhebliche Übereinstimmungen mit denen aus dem Mittelalter auf.
Das Stadtbild
Alle mittelalterlichen Städte hatten einige Merkmale gemeinsam. Das auffallendste war der mächtige Mauerring, der die Stadt vor Feinden (und oft auch vor dem Stadtherrn) schützte und ihr ein burgähnliches Aussehen verlieh. Innen bildete der Markt den Mittelpunkt. Große Städte hatten auch mehrere Marktplätze für verschiedene Waren. Am Markt und in seiner Nähe lagen meist auch die steinernen Häuser der Patrizier, das Rathaus und die Hauptkirche. Die Pracht der Patrizierhäuser und der großen Kirchen stand in Kontrast zu den engen Gassen, wo die Handwerker und die ärmeren Teile der Bevölkerung wohnten. Hier herrschte die Fachwerkbauweise vor. Da in den Städten auch Landwirtschaft betrieben wurde, war es um die Sauberkeit auf den Straßen, die nur selten gepflastert waren und keine Kanalisation besaßen, nicht zum Besten bestellt.
Die drei Hauptprobleme, die sich daraus ergaben waren die Wasserversorgung, die Abfallbeseitigung und die Verschmutzung der Umwelt durch gewerbliche Betätigung.
Auch war die häusliche Wasserversorgung noch weitgehend Privatsache, der Hausmüll wurde auf die Straße geworfen und das Abwasser lief die Gosse hinunter. Die tatsächlichen Lebensumstände waren daher zu dieser Zeit alles andere als sie uns in den Idealbildern aus dieser Zeit überliefert werden. Erst gegen Ende des Spätmittelalters verbesserten sich die Lebensumstände durch öffentliche Grundwasserbrunnen, bessere Trinkwasserleitungen und strengere Auflagen bei der Entsorgung des Abfalls und der gewerblichen Abwässer.
Isoliert in der Stadt wohnten die Juden, die nur wenige Rechte hatten. Da ihnen die meisten Berufe verschlossen waren, ergriffen viele den Beruf des Geldverleihers, was sie bei der Bevölkerung noch unbeliebter machte. Sie durften keinen Grund und Boden erwerben, wurden nicht in die Zünfte aufgenommen und durften kein Amt in der Verwaltung der Stadt bekleiden. Infolge der Kreuzzugsbewegung und der großen Pestepidemie in der Mitte des 14. Jh. kam es wiederholt zu Judenverfolgungen.
Häuser in der mittelalterlichen Stadt
In den mittelalterlichen Städten war bei den Bürgerhäusern und Werkstätten - sofern diese nicht ohnehin zusammengezogen waren - hauptsächlich der Fachwerkbau gebräuchlich. So wurden in der Holzskelettbauweise sog. Gefache aus senkrechten, waagrechten und schrägen Balken durch Holzbohlen und Flechtwerk mit Lehmbewurf geschlossen. Nichttragende, dünnere Sprossen stützen Gefache und begrenzen Fenster und Türen. Mit dem Beginn des mehrgeschossigen Hausbaus im 13. Jahrhundert wurden zur Versteifung der Wandkonstruktion Schräghölzer notwendig. Schon im 13./14. Jahrhundert gab es diese Art der Konstruktion in Verbindung mit stockwerkbildenden Elementen. So wurden besonders an der Hausfront vor das eigentliche Gerüst vorragende Stockwerkfassaden gehängt, die reiche Bürger prunkvoll und aufwendig schmücken ließen. Zur Verhinderung der Ausbreitung von Bränden wurden bald Schutzvorschriften erstellt, wonach jedes neue Haus eine Feuermauer an der Seite zum Nachbarhaus haben musste. Außerdem unterstützte die Stadtverwaltung den Bau eines neuen Hauses, indem sie Tonziegel für die Dachdeckung zur Verfügung stellte.
Die Fußböden in den engen, stickigen und dunklen Räumen des Hauses bestanden meistens aus festgestampftem Lehm, erst seit dem 14. Jahrhundert vereinzelt bei reicheren Familien aus Tonfließen. Im Gegensatz dazu hatten vor allem die Häuser der sozialen Unterschicht und das übrige gewöhnliche Volk eine offene Feuerstelle ohne eigenen Rauchabzug. Kleine Fenster wurden mit Fensterläden oder Leinwand verschlossen, Glasfenster sind zwar ab 1353 in Köln nachweisbar, jedoch nur in öffentlichen Gebäuden. Als Einrichtung gab es hauptsächlich nur grob gezimmerte Möbel und einfache Liegeflächen aus Stroh und Fell als Bett.
Wohn- und Arbeitsstätte der Bürger fielen in ein Haus zusammen. Verkauft wurde auf den heruntergeklappten Fensterläden zur Straße hin, wo sich auch die Werkstätten, Kontore und Warenlager befanden. Dahinter lag die Küche. Im Obergeschoss waren Schlafkammern eingerichtet. Die Unterschicht war in enge, schmutzige und schlechte Räume (wenn überhaupt) eingepfercht.
Ebenso fand man in solchen Räumen auch dementsprechend schlechte Arbeitsverhältnisse vor, obwohl oft den Handwerkern selbst nur die Gerätschaften gehörten, während die Produktionsstätte Gemeinschaftseigentum der Zünfte war. Diese besaßen auch eigene Zunfthäuser. Solche Gesellschafts- und Verwaltungsbauten der Handwerkerzünfte und Kaufmannsgilden mit einem großen Saal für Versammlungen und Festlichkeiten, Büroräumen, Lager- und Schauräumen gab es seit dem späteren Mittelalter. Besonders aufwendig waren die Gewandhäuser der Tuchmacher.
Handwerkerhäuser waren den Bedürfnissen des jeweiligen Betriebes und der Lagerhaltung angepasst. So waren die Häuser der Gerber und Färber oft an einem Flusslauf zusammengefasst und hatten diesem zugewandt breite Türöffnungen bzw. Ladetore.
Bürgerhäuser waren Werkstatt, Wohn-, Geschäfts- und Speicherhaus gleichzeitig. Seit dem späten Mittelalter wohnten hier neben den Eigentümern mit Familie und Gesindel auch Mieter und Untermieter, meistens in sehr schlechten Wohnverhältnissen.
Gaststätten und Gasthäuser bestanden in der Grundausstattung aus der Küche und einem Gastraum. Erst seit dem späten Mittelalter entwickelten sich aus Gasthäusern, Tavernen, Weinstuben, Ausschanklokale der Brauereien, Ratskeller und andere Schenken. So gab es z.B. die Seefahrtshäuser der Hanse, die auch Unterkunft anboten.
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